Aufgaben und Arbeitsweisen des EDV-Sachverständigen
2.3.3 Gutachten
Ein Gutachten enthält eine allgemein vertrauenswürdige Beurteilung eines Sachverhalts oder die Bewertung eines Objektes im Hinblick auf eine Fragestellung oder ein vorgegebenes Ziel.
Ein Gutachten ist eine formale verbindliche, mündliche oder schriftliche Aussage eines Sachverständigen.
Es bezieht sich in erster Linie auf Geschehenes oder aktuell Gegebenes. Es ist insofern eine überwiegend konservierende Tätigkeit. Aussagen über Schritte, die zu vollziehen sind, und über kurzfristig zu erwartende Ereignisse weisen in die nahe Zukunft und stellen damit einen Grenzbereich sachverständiger Tätigkeit dar.
Abb.: 2.5 Begutachtung im Zeitstrahl
Berechnungen über Erträge künftiger Objektnutzungen setzen stets stillschweigend einen Fortbestand der gesellschaftlichen Ordnung, der Wirtschaftsleistung und des Finanzsystems voraus.
Lineare und intelligente Fortschreibungen vergangener und bestehender Werte laufen häufig auf unseriöse und gar lächerliche Aussagen hinaus.
· Beispiel:
Die Fortschreibung der 10jährigen Statistiken über die Zahl der Pferdekutschen in New York führte zu der gutachterlichen Aussage, dass die Stadt im Jahre 1930 in Pferdemist ersticken werde.
Eine Entlastung durch Kraftfahrzeuge sah man nicht, da die Zahl der ausgebildeten Fahrer als beschränkt angesehen wurde.
2.4 Thematik von Gutachten
Entsprechend der Thematik klassifiziert man:
- Gutachten zur Darlegung von Tatsachen
Die Parteien beauftragen den Gutachter, tatsächliche Zustände und Eigenschaften von Anlagen, Einrichtungen, Warenlieferungen oder Werkleistungen zu untersuchen und zu beurteilen, Abrechnungsdifferenzen aufzuklären sowie Geschehensabläufe zu rekonstruieren, Ursachenzusammenhänge zu analysieren und das Ausmaß von Schäden festzustellen.
- Wertgutachten
Die Parteien beauftragen den Gutachter, den angemessenen Kauf- oder Marktpreis einer Ware, den Verkehrs- oder Beleihungswert eines Grundstücks oder den Wert einer Arztpraxis oder eines Unternehmens festzustellen.
- Anpassungsgutachten
Die Parteien beauftragen den Gutachter, den Erbbauzins, die vereinbarte Miete oder eine andere wiederkehrende Leistung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses anhand eines vertraglich vorgegebenen bestimmten oder bestimmbaren Maßstabs den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.
- Rechtsfeststellendes Gutachten
Schwerpunkt dieser Gutachten ist die Beurteilung rechtlicher Vorgaben, z B. Beurteilung von auslegungsbedürftigen Vertragsklauseln.
- Rechtsgestaltendes Gutachten
Schwerpunkt dieser Gutachten ist es, ergänzungsbedürftige Vertragsklauseln zu vervollständigen.
Für einen technischen Sachverständigen haben nur die ersten drei Gutachtenthemen eine Bedeutung. Die beiden Letztgenannten spielen allenfalls in Zusammenarbeit mit Juristen eine Rolle.
2.5 Umstände von Gutachten
Nach den Umständen, unter denen ein Gutachten zustande kommt, unterscheidet man:
- Gerichtsgutachten
Es ist nicht eindeutig bestimmbar, ob es sich hier um ein Gutachten handelt, das vom Gericht bestellt worden oder das für die Vorlage bei Gericht vorgesehen ist.
- Privatgutachten, Parteiengutachten
Gutachten, die außerhalb von Gerichtsverfahren für andere Auftraggeber erstattet werden, nennt man Privatgutachten. Bei der Erarbeitung eines solchen Gutachtens wird der Sachverständige außergerichtlich tätig. Aus diesem Grunde werden Privatgutachten auch außergerichtlich erstattete Gutachten genannt. Diese außergerichtlich erstatteten Gutachten werden im Auftrag meist einer Partei erstattet, weshalb diese Gutachten oft auch Parteigutachten genannt werden. Die Benutzung des Wortes "Parteiengutachten" ist jedoch nicht empfehlenswert, da dieses Gutachten dann zu schnell in die Richtung eines "Gefälligkeitsgutachtens" interpretiert wird.
- Zweitgutachten
Das Gericht holt es ein bei
- besonders schwierigen Fragen,
- Zweifeln an der Sachkunde des Sachverständigen,
- überlegenen Forschungsmitteln des weiteren Sachverständigen oder Gutachters,
- groben Mängeln des erstatteten Gutachtens.
- Gegengutachten
Der Begriff ist umstritten. In der Regel handelt es sich um gegensätzliche Parteienvorträge in Form von Gutachten.
- Obergutachten
Ein Obergutachten ist für Gutachten, das nach mindestens zwei voneinander abweichenden Gutachten erstellt wird. Grundsätzlich steht nach § 412 ZPO die Einholung eines Zweitgutachtens zu einem Beweisthema im Ermessen des Gerichts. Das Ermessen wird aber eingeschränkt, wenn zwei sich widersprechende Gutachten vorliegen. In diesem Fall kann das Gericht die Einholung eines Obergutachtens nur mit einer nachvollziehbaren Begründung ablehnen. Das gilt nicht, wenn in einem Gutachten dargelegt ist, warum es zu anderen Ergebnissen als das oder die vorherigen Gutachten kommt.
Auch im Strafprozess sind nach §§ 73 Abs. 1, 83 Zweit- und Obergutachten jederzeit zulässig.